Die Mohrensage

So kam der Mohr nach Eisenberg

Vor vielen hundert Jahren, als noch die Grafen von Eisenberg in dem alten Schlosse hausten, hatte sich einer dieser Grafen von einem Kreuzzuge nach dem Heilligen Lande nach der Sitte der damaligen Zeiten einen Mohren als Diener mitgebracht. Wegen ihrer Treue waren die Mohren hoch geschätzt. Lange Zeit hatte er nun auch dem Grafen treu und ehrlich gedient, als eines Tages dessen Gemahlin ihre kostbare, goldene Kette vermisste und trotz allen Suchens nicht wieder finden konnte.

Von den gräflichen Dienern war an dem Tag, an dem die Kette verloren ging, nur der Mohr um die Gräfin und in deren Zimmer gewesen. Auf diesen fiel daher sogleich der Verdacht, die verschwundene Kette entwendet zu haben. Auf der Stelle wurde er verhört, gefangen genommen und obwohl er unter Tränen und Flehen seine Unschuld beteuerte, zum Tode verurteilt. Die Vollziehung des Urteils wurde noch auf denselbigen Nachmittag festgesetzt.

Als die Stunde der Enthauptung des sonst treuen und ergebenen Dieners herannahte und viel Volk sich vor dem Palast versammelte, um den armen Sünder sterben zu sehen, ward es der Gräfin ängstlich und schwer ums Herz. Sie zog sich allein in ihr Gemach zurück und suchte ihr klopfendes Herz zu beruhigen. Da fiel ihr Auge auf das schwere Gebetbuch, das dort am Fenster auf dem kleinen kunstvoll geschnitzten Betschemel lag. Sie kniete nieder und löste hastig die schweren Goldspangen, die das Buch geschlossen hielten und jetzt mit scharfem Geräusch aufsprangen.

Da, wie sie einige Blätter umgeschlagen hatte, klirrte es plötzlich, und aus den Blättern heraus fiel ihr zu Füßen die verlorene Kette. Entsetzt fuhr sie empor. Der Mohr war also doch nicht ein Dieb, er war unschuldig, und unschuldig sollte er gerade jetzt sein Leben um ihretwillen hingeben. Rasch stürzte sie davon und entsandte die wenigen im Palast gebliebenen Diener nach dem Richtplatz. Es war noch nicht zu spät gewesen.

Der Graf schenkte dem Mohren die Freiheit. Um aber seine grundlos geschändete Ehre wieder herzustellen, nahm der Graf den Kopf des Mohren mit der Binde über den Augen in sein Wappen auf.

Zur ewigen Erinnerung an die berichtete Geschichte stellten später die braven Väter der Stadt im Jahre 1727 dem armen Mohren ein steinern Standbild auf.

Der älteste Brunnen heisst seit diesem Tag Mohrenbrunnen und ist bis heute das Wahrzeichen der Stadt.